Chirotherapie / Manuelle Medizin
1. Formen
Die Manuelle Medizin wurde lange Zeit insbesondere in Deutschland als reine Gelenkbehandlung verstanden. Wird ein Bewegungssegment nicht nur als Kapselbandapparat mit dazwischen liegender Bandscheibe verstanden (Junghans), sondern mit seinen Muskeln, seiner muskulären Steuerung und reflektorischen Einflüssen aus demselben Segment mit den Möglichkeiten der wechselseitigen Beeinflussung, ist dies schon viel wirklichkeitsnäher. Die metamere Ordnung unseres Körpers wird unmittelbar erfahrbar. So wird verständlich, dass auch über Gelenke auf andere Strukturen in unserem Körper Einfluss genommen werden kann.
Eine Wurzel der Manuellen Medizin ist die Chiropraktik. Sie hat sich von ihren Anfängen immer mehr in Richtung Chirotherapie/Manuelle Medizin entwickelt. Die Behandlung der Kopfgelenke wird in einigen Zentren weiterhin deutlich betont. Die angewendeten Techniken sind meist Kontaktgriffe mit kurzen Hebeln. Auch findet sich krankengymnastisches Wissen immer mehr in den Ausbildungsinhalten.
Nur in Deutschland gibt es die Bezeichnung Chirotherapie. Sie entstand, als diese Therapieform Eingang in die ärztliche Weiterbildungsordnung fand. Man wollte sich damals von den Chiropraktoren abgrenzen, die Heilpraktiker waren. Der Ausdruck Manuelle Therapie wird in Deutschland vorwiegend als der Teil der Manuellen Medizin verstanden, der auf Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten delegierbar ist und ist als Abrechnungsposition dort etabliert.
2. Die wichtigsten Techniken
Atlastherapie nach Arlen: Nach einer radiologischen Stellungsanalyse der Kopfgelenke wird über den Unterkiefer, den Querfortsatz des 1. Halswirbels oder den Dorn des 2. Halswirbels eine Impulsfolge meistens mit dem Endglied des Mittelfingers gegeben. Dadurch wird ein detonisierender Reflex ausgelöst, der therapeutisch genutzt wird.
HIO (hole in one): Diese chiropraktische Technik wurde von B. J. Palmer entwickelt. Aufgrund einer radiologisch genauen Analyse wird der HIO geplant und durchgeführt. Diese Technik wird als Griff nun immer mehr mit einer reduzierten Reizstärke angewendet. Diese Anwendung hat beachtenswerte reflektorische Auswirkungen auf das gesamte Bewegungssystem. Bei falscher Anwendung der Technik können jedoch auch schwere irreversible neurologische Schäden gesetzt werden.
Manipulationen: Bei einer Manipulation an Gelenken wird an eine Bewegungsbarriere eingestellt und unter Traktion ein Impuls gegen die Barriere gesetzt. Ein typisches Gelenkknacken kann auftreten, das vermutlich durch einen Vakuumeffekt entsteht. Nach einem solchen Impuls wird im Normalfall die Gelenkbeweglichkeit wiederhergestellt, die monosegmentale Muskulatur detonisiert und reflektorische Krankheitszeichen sind deutlich gebessert bis verschwunden.
Mobilisationen: Wird passiv an eine Bewegungsgrenze eingestellt und im Sinne des translatorischen Gleitens bzw. der Traktion die Stufe 3 (das Dehnen) repetierend jeweils 4 bis 5 Sekunden gehalten, kann dadurch ebenfalls eine pathologische Bewegungsbarriere (und damit auch die bei einer Blockierung vorhandenen reflektorischen Krankheitszeichen) behandelt werden. Daneben sind Automobilisationen als „Hausaufgaben“ möglich.
Postisometrische Relaxation (PIR): Wird nach Einstellung an eine Bewegungsgrenze von der Bewegungsgrenze weg isometrisch angespannt, kann in der Entspannungsphase eine Änderung des Bewegungsausmaßes gespürt werden, die in Richtung der normalen Bewegung verschoben worden ist. Wiederholt wird diese Technik an der neuen Barriere bis zur Normalisierung der Beweglichkeit. Die postisometrische Relaxation wurde von Lewit in Europa eingeführt. Er übernahm damit einen Aspekt der Muskelernergietechniken.
Dynamische Wirbelsäulentherapie nach Popp: Die dynamische Wirbelsäulentherapie nach Popp ist eine Weiterentwicklung der Dorn-Therapie. Ohne dass eine Bewegungsgrenze bzw. Barriere genau bestimmt werden muss, führt der Patient aktive Bewegungen abgestimmt auf die einzelnen Segmente aus. Dadurch wird das betroffene Segment innerhalb einer Kette mehrfach über die Bewegungsbarriere geführt, wodurch ein mobilisierender Effekt eintritt. Während der aktiven Übungen des Patienten fokussiert der Therapeut entweder mit seinen Fingern oder seiner Handkante die Bewegung auf das zu behandelnde Segment. Die Behandlung wird durch Eigenübungen ergänzt.
Manuelle Therapie nach Meridiandiagnostik (Dr. Brand): Wird der Körper nach bindegewebigen Verquellungen untersucht, kann festgestellt werden, dass im Verlauf von Meridianen sich wiederholt pathologische Verquellungen finden. Dr. Brand, der diese Methode entwickelte, stellt auf eine reflektorische Beziehung der in dieser Meridiandiagnostik erhobenen Befunde mit Gelenken ab. Er gibt meist Reflexmanipulationen an, deren therapeutische Wirksamkeit durch das Verschwinden der dazugehörigen bindegewebigen Verquellungen im Meridianverlauf überprüft wird.